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Warum alle gewinnen, wenn du deine Bedürfnisse priorisierst.

Priorisierung der Bedürfnisse beim Hundetraining

In der Hundewelt gibt es gefühlt zwei Extreme. Die eine Seite sieht in dem Hund nur einen Hund und achtet nicht sonderlich darauf, in welchem Maße die Bedürfnisse ihres vierbeinigen Freundes erfüllt werden. Die andere Seite zerbricht sich den Kopf, ob der Hund es nicht vielleicht woanders besser hätte, ob man dem Tier wirklich gerecht wird und ob man als Hundehalter*in nicht einfach total versagt. In meinem Umfeld treffe ich oft auf Menschen der zweiten Gruppe und auch selbst zähle ich mich dazu. In unserem Bestreben, dass es unserem Hund wirklich an nichts mangeln soll, zerfleischen wir uns innerlich jedes Mal, wenn wir vor Überforderung laut geworden sind oder uns auf eine andere Art und Weise nicht nett verhalten haben. Wir buchen Termine bei Tierärzt*innen, Physiotherapeut*innen, Ernährungsberater*innen und Trainer*innen, damit unser Schatz das absolute Rundum-Sorglos-Paket erhält. Während ich ein großer Fan davon bin meinen Hunden alles zukommen zu lassen, was ihr Wohlbefinden erhöht und sie stressfreier den Alltag navigieren lässt, sehe ich bei vielen ähnlich motivierten Menschen, dass eins dabei auf der Strecke bleibt: sie selbst.

Als Beispiel möchte ich dazu ein wenig aus meinem eigenen Leben erzählen. Ich leide seit etwa 13 Jahren an Depressionen und bin als Selbstständige einem ständigen Druck ausgesetzt mich um alle Facetten meines beruflichen Alltags selbst und ständig zu kümmern. Eine durch die Erkrankung deutlich verringerte Leistungsfähigkeit in Kombination mit der Vielzahl an Verpflichtungen und der finanziellen Ungewissheit ist prädestiniert für einen Burnout. Wenn man dann noch zwei sehr verhaltensoriginelle Hunde mit multiplen Baustellen drauf packt, sind Chaos und Überforderung vorprogrammiert. Auch wenn ich das fachliche Wissen habe, wie ich mich idealerweise in verschiedenen Situationen verhalten sollte, führt die Ausgangssituation zu einer erhöhten Reizbarkeit und einer deutlich verminderten Impulskontrolle. So kann es vorkommen, dass ich in Stresssituationen meinen Hunden gegenüber Verhalten zeige, auf das ich alles andere als stolz bin. Ich denke, dass viele Menschen solche Situationen selbst schon erlebt haben, die aus anderen Gründen unter hohem psychischen Druck stehen.

Nun könnte man diese Gründe natürlich vorschieben und als Rechtfertigung nutzen, um weiterhin im Wechselspiel zwischen Kontrollverlust und Schuldgefühl hängen zu bleiben. Da ich aber den Anspruch radikaler Eigenverantwortung vertrete, heißt das konkret zu reflektieren, welche Stellschrauben ich drehen kann, um an dieser Situation etwas zu ändern. Es ist nicht fair meinen Hunden gegenüber, dass sie meinen Frust ausbaden müssen, denn sie haben nicht selbst entschieden bei mir einzuziehen. Daher ist es meine Aufgabe mir zu überlegen, welche Faktoren in meinem Leben die empfundene Überforderung auslösen und an diesen etwas zu verändern.  Ein Muster, was ich dabei bei mir selbst und eben auch vielen anderen Menschen beobachte, ist ein Zurückstellen der eigenen Bedürfnisse zugunsten anderer, ein fehlendes Setzen von Grenzen und ein mangelndes Bewusstsein für den eigenen Wert.

Ich sehe Frauen, die den Großteil der Arbeit mit dem Hund auf sich nehmen und sich dann verbittert beschweren, dass sie die einzigen in der Familie sind, die sich kümmern. Ich sehe Menschen, die es ihrer Familie recht machen wollen und sich für das Verhalten ihres Hundes schämen. Ich sehe Hundehalter*innen, die sich Sorgen darüber machen, was andere Menschen über sie denken. Ich sehe eigentlich liebevolle Leute, die vor lauter Verzweiflung schreien, an der Leine rucken, mit Gegenständen werfen und am liebsten im nächsten Loch verschwinden möchten. Ich erkenne diese Menschen, weil ich einer von ihnen bin.

Was aber ist nun die Lösung? Natürlich erfordern individuelle Ausgangssituationen auch individuelle Ansätze, aber jeder Mensch kann sich folgende Fragen stellen:

  • In welchem Bereich wünsche ich mir mehr Unterstützung?
  • Habe ich diesen Wunsch schon konkret angesprochen oder nehme ich stillschweigend die Märtyrerrolle ein?
  • Verbiege ich mich für die Wünsche anderer oder handle ich nach meinen eigenen Bedürfnissen?
  • Welche Dinge tun mir gut und laden meine Akkus auf?
  • Wie kann ich es schaffen mehr von diesen Dingen in meinen Alltag einzubauen?
  • Wen kann ich um Hilfe bitten, wenn ich alleine nicht mehr weiter weiß?
  • Warum ist es mir so wichtig, was andere Menschen über mich denken?
  • Was ist das schlimmste, was passieren kann, wenn ich von anderen verurteilt werde?
  • Was ist mir wirklich wichtig im Leben, auf welches Ziel möchte ich hinarbeiten?
  • Was sind meine inneren Werte und wie sehr ist mein Verhalten damit im Einklang?
  • Wie gut kommuniziere ich, wenn jemand meine eigenen Grenzen überschreitet und welche Konsequenzen lasse ich darauf folgen?
  • Welche Bereiche in meinem Leben lösen Stress aus und was ist der nächstmögliche Schritt, um die Belastung zu reduzieren?
  • Wie denke ich über mich selbst und wo kommen diese Gedanken her?

Ich selbst habe mir für dieses Jahr vorgenommen meine eigenen Bedürfnisse radikal in den Vordergrund zu stellen. Ich sage Nein zu Dingen, die mir nicht gut tun, baue ausreichend Pausen ein, um meine Energiereserven wieder aufzuladen, schränke den Kontakt zu Menschen ein, die mich Kraft kosten, mache Sport als Ausgleich, meditiere für mehr Ausgeglichenheit, ernähre mich recht gesund, lese Bücher, die mich weiterbringen und verbanne alles aus meinem Leben, das diesem Ziel im Weg steht. Ich arbeite aktiv an mir selbst, denn wenn ich nicht die Initiative ergreife, wird sich an meinem Leben nichts ändern. Niemand kommt, um mich zu retten. Nur, wenn ich meine Akkus selbst vollständig auffülle, kann ich auch für andere aus ganzem Herzen da sein, ohne dass es zu Lasten meines eigenen Wohlbefindens geht.

Seit ich diese Erkenntnisse voll und ganz in mein Leben integriert habe, kann ich meine Hunde viel achtsamer, geduldiger und wertschätzender führen. Ich bewahre in brenzligen Situationen in den allermeisten Fällen die Ruhe, kann die Hunde und mich selbst danach vernünftig wieder herunterfahren und die schönen Momente besser genießen. Wenn ich auf meine eigenen Bedürfnisse achte, profitieren auch Mylo und Franzl von der daraus resultierenden Resilienz. Ein Win-Win für alle.

Jetzt bist du dran: welche Stellschrauben kannst du drehen, damit dein Hund und du ein erfülltes, stressfreies Leben führen könnt?

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