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Nachhaltige Veränderung passiert nicht von heute auf morgen.

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Eigentlich eine Erkenntnis, die den meisten von uns in der Regel geläufig ist, oder? Trotzdem erlebe ich gerade im Hundetraining meist eine ganz andere Erwartungshaltung. Ich habe aufgehört zu zählen, wie viele Leute sich irgendwann nicht mehr melden, weil es ihnen augenscheinlich nicht schnell genug vorangeht und sie sich schnellere oder größere Fortschritte erhofft haben. Ich erlebe immer wieder Frustrationsmomente, in denen die Menschen mit sich selbst hart ins Gericht gehen, weil sie einen Fehler gemacht oder eine Situation falsch eingeschätzt haben, im Timing nicht perfekt waren oder sie nach einiger Zeit der Meinung sind schon „besser“ sein zu müssen. Gleiches gilt für den Umgang mit dem Hund: Rückfälle und -schritte, das Ausprobieren verschiedener Ansätze, bis man den richtigen für dieses spezielle Team gefunden hat, zu langsame Entwicklung in die richtige Richtung, Momente, in denen altes Verhalten plötzlich unerwarteterweise wieder gezeigt wird, die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Oftmals wünschen sich Hundehalter*innen einfache Lösungen für komplexe Probleme und eine steil bergauf gehende Erfolgskurve. Natürlich gibt es auch etliche Trainer*innen, die genau das versprechen – aber wenn man genauer hinschaut, zahlt meist jemand einen hohen Preis dafür und das ist in der Regel der Hund, dessen Bedürfniserfüllung und Selbstentfaltung immer mehr eingeschränkt wird. Nachhaltiger Erfolg braucht aber individuelle Lösungen, Zeit, Geduld, Commitment, Durchhaltevermögen, Bereitschaft zur Veränderung, mentale Kapazitäten, finanzielle Ressourcen, Wissen und auch eine gehörige Portion Glück.

Erfolg ist nie linear

Es gibt viel zu viele Faktoren, die darüber bestimmen, wie schnell Fortschritte erzielt werden, wie zufrieden der jeweilige Mensch ist und wie gut die Umsetzung der Maßnahmen funktioniert. Viele davon liegen in unserer Hand, einige aber eben auch nicht. Es können immer wieder Situationen entstehen, die uns im Training zurückwerfen, es gar temporär oder dauerhaft unmöglich machen oder den Fortschritt schmälern und verlangsamen – denn genau so funktioniert nun mal das Leben. Nicht umsonst heißt es doch so schön „Leben ist das, was passiert, während du dabei bist Pläne zu machen“. Rückschritte, Stillstand, ungeplante Hindernisse, Verlangsamung und Zwangspausen gehören zu dem Prozess des Lernens und Umsetzens also einfach dazu und sind damit die Regel, nicht die Ausnahme.

Der Mensch als limitierender Faktor

Zu einem Team gehören immer mindestens zwei – der Hund kann noch so gut trainierbar sein, wenn auf der menschlichen Seite Probleme auftauchen, werden diese den Erfolg dennoch stark beeinflussen. Allein schon Bewegungsabläufe und das Timing zu verinnerlichen, auf die eigene Körpersprache zu achten, reflexartige Bewegungen abzubauen und durch neue, bewusst gewählte Handlungen zu ersetzen, den Alltag umzustellen – all das erfordert Routine und Übung. Dazu kommen vielleicht suboptimale Ausgangsbedingungen wie eine ungünstige Wohnsituation, fehlende Mobilität, fehlende finanzielle Mittel, allgemeine eigene seelische Belastung, Fürsorge für andere Mitlebewesen, gesundheitliche Thematiken, fehlende Zeit noch nicht ausreichend ausgebaute Fähigkeit zur Selbstreflexion, Druck von außen etc. – und schon fehlen für das optimale Training Kapazitäten auf verschiedenen Ebenen. Dass unter derart komplizierten Bedingungen schnelle Fortschritte unwahrscheinlich sind, sollte klar sein.

Herausforderungen beim Hund

Oftmals sind Probleme im Alltag durch kleinere Anpassungen und Veränderungen schnell und effektiv zu verbessern. Manchmal gibt es aber einfach Faktoren, die genau das wieder stark verkomplizieren. Eine unerkannte gesundheitliche Problematik (z. B. chronische Zahnschmerzen, Futtermittelunverträglichkeiten), eine bekannte, aber schlecht behandelbare gesundheitliche Baustelle (z. B. Epilepsie), retraumatisierende Begegnungssituationen, Hintergrundstress, komplexe und ineinandergreifende Trainingsbaustellen (z. B. Trennungsstress plus Aggressionsproblematik), keine ausreichende Bedürfnisbefriedigung, verhaltensmedizinisch behandlungsbedürftige Auffälligkeiten – das Training auf der Verhaltensebene ist wie so oft lediglich die Spitze des Eisbergs und führt daher nicht im Alleingang zum gewünschten Erfolg.

Ist Hundetraining damit also vollkommen zwecklos?

Nein, natürlich nicht! Aber wenn es mal nicht so vorangeht wie erwünscht, solltest du nicht gleich die Hoffnung aufgeben und vor allem idealerweise mit professioneller Unterstützung in die Ursachenfindung gehen. In den allermeisten Fällen finden sich Stellschrauben, an denen man drehen kann, um wieder zurück auf Kurs zu kommen. Wenn du Fortschritte erkennen kannst, bist du auf dem richtigen Weg – ist das nicht der Fall, ist das lediglich Grund zur Überprüfung und Anpassung der Strategie.

Du wirst nicht sofort die Ziellinie erreichen. Aber wenn du am Ball bleibst, ganzheitlich an die Problematik herangehst und vor dich vor allem immer wieder an den kleinen und großen Momenten erfreust, die in der Vergangenheit ohne dein Training so nicht möglich gewesen wären, dann hast du eine sehr gute Chance mit deinem Hund einen Modus zu finden, in dem ihr mit mehr Lebensqualität, Vertrauen, Liebe und Wertschätzung gemeinsam existieren könnt.

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